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Tinker: ein Pferd vom „Landstreicher“ zum beliebten Trendsetter

05.05.2023 - Lesedauer: 6 Minuten

Tinker auf Blumenwiese

Tinker sind Pferde, die nicht nur Kenner begeistern, faszinieren – und auch verwirren. Abseits ihrer spektakulären Optik: Sind Tinker Warm- oder Kaltblüter? Oder sind Tinker Ponys? Handelt es sich um Zug- oder Reitpferde? Tatsächlich ist das aus Irland stammende Pferd von allem ein wenig und schwer in eindeutige Kategorien einzuordnen. Diese Vielseitigkeit macht seinen Reiz aus. Erfahre Wissenswertes über die Pferderasse Tinker.

Ursprung: gezüchtet für das Straßenleben

Die Hintergründe der Pferderasse Tinker sind spannend, obwohl sich die grundlegende Frage, woher Tinker kommen, kaum aufschlüsseln lässt. Fakt ist: Die auffälligen Zugpferde waren historisch die Begleiter nicht sesshafter Menschen, die in Irland, England und Wales über Land zogen. Dazu gehörten reisende Kesselflicker (englisch: tinker), aber auch Sinti und Roma. Vereinzelt im Gebrauch ist die (diskriminierende) Bezeichnung „Gypsy Horse“. Ihre Besitzer bevorzugten Namen wie „Coloured Cob“, „Traveller Horse“ oder „Vanner“ für die Pferde.

Fahrendes Volk hatte stets seinen gesamten Hausrat dabei, weshalb Zugtiere gebraucht wurden, die die schweren Wagen bewegen konnten. Zudem mussten die Tiere günstig in der Anschaffung und genügsam im Unterhalt sein. Schließlich bekamen sie oft nur zu fressen, was am Wegesrand verfügbar war. Ihr Aussehen war zunächst zweitrangig, und so entwickelten sich die Tinker aus einem wilden Mix irischer und britischer Pferde- und Pony-Rassen wie Shire Horse, Clydesdale, Dales oder Welsh Cob. Die Einschläge durch Kaltblutrassen, wie der schwere, tendenziell ramsnasige Kopf, sind heute noch deutlich zu erkennen. Auch warum Tinker Behang haben, erklärt sich durch die ebenfalls zu starker Behaarung neigenden Kaltblut-Vorfahren. Tatsächlich sind Tinker Warmblüter.

Ein Schlüsselfaktor für die Optik der Tinker war, dass gescheckte Pferde bei höhergestellten Gesellschaftsschichten unbeliebt und somit deutlich günstiger zu haben waren. Die Kreuzungen von Schecken führten zu einer großen Vielfalt an Scheckungen; einfarbige Tinker sind viel seltener. Das gefleckte Fell (besonders beliebt: Plattenschecken) hatte zudem einen praktischen Vorteil. Jedes Pferd ist eindeutig zu identifizieren, was Diebstähle erschwerte.

In den 1990er-Jahren avancierten die auffälligen Tinker bei Freizeitreitern jäh zum „Modepferd“, doch erst 1998 wurde die ICS (Irish Cob Society) als erster offizieller Zuchtverband gegründet. Als offizielles „Rassepferd“ ist der Tinker somit trotz langer Tradition noch recht jung: Einen Rassestandard gibt es in Deutschland seit 2005.

Wesen: cool und emphatisch

Tinker sind freundliche, menschenbezogene Tiere mit ausgeglichenem Charakter und einer großen Portion Neugierde. Allerdings: Sympathie zu ihrer Bezugsperson muss unbedingt gegeben sein. Fehlt dem Tier das Vertrauen zum Menschen, kann es sich stur und abweisend verhalten und beweist damit buchstäblich „Pferdeverstand“. Aggressives Verhalten sieht man hingegen sehr selten; tatsächlich ist zu hitziges Temperament ein Ausschlusskriterium bei der Zucht. Der engen Zusammenarbeit mit ihren Besitzern im Laufe ihrer Geschichte geschuldet, sind Tinker-Pferde verantwortungsbewusst, selbstständig und „denken mit“.

Bewegung und Eignung: Profi vor der Kutsche, Rücksicht auf den Rücken

Tinker bewegen sich mit schwungvollen, raumgreifenden Schritten und sind sogar in der Lage, im rasanten Passgang zu laufen. Die Tiere wurden vorwiegend für den Einsatz als Zugpferde gezüchtet. Darauf ist die Rasse in ihrem Körperbau angepasst, mit dem Ergebnis, dass die Rückenpartie eher weich und wenig bemuskelt ist.

Natürlich kannst du trotzdem einen Tinker reiten. Als Reitpferd benötigt er aber eine gute Rückenschule. Auf Turnier-Lorbeeren als Dressur- oder Springpferd sind die Aussichten eher gering, als Fahrpferde sind Tinker hingegen ganz in ihrem Element. Aufgrund der vielen positiven Aspekte im Charakter des Tinker-Pferdes wird die Rasse als Therapiepferd gern genutzt. Nicht zuletzt machen seine außergewöhnliche Optik und seine Gelehrigkeit den Tinker zu einem beliebten Showpferd.

Tinker-Pferde werden von Laien häufig für Gewichtsträger gehalten und fälschlich manchmal so beworben. Tatsächlich lässt ihre kompakte Statur vermeintlich auf eine gewisse „Tragfähigkeit“ schließen. Doch gerade diese ist (wie oben dargestellt) durch den eher schwachen Rücken nicht gegeben.

Haltung: Frischluft und Fellpflege

Die zu bevorzugende Haltungsform für deinen Tinker ist die Paddock- oder Offenstallhaltung in einer Gruppe mit mehreren Artgenossen. Ist das nicht möglich und das Tier ist in einem klassischen Stall untergebracht, ist viel Aufenthalt beziehungsweise Bewegung im Freien angesagt. Es sind „Frischluftpferde“, langes Verweilen in Gebäuden kann (siehe unten) beim Tinker zu Krankheiten führen. Auch bei der Versorgung musst du aufmerksam sein, da die Tiere empfindlich auf zu reichhaltiges Futter und synthetische Zusätze darin reagieren. So löst ein Zuviel an Zucker und Stärke, etwa in Getreide oder Trester, möglicherweise Lympheinlagerungen aus.

Besondere Aufmerksamkeit schenkst du bei der Pflege der üppigen Behaarung, vor allem dem Kötenbehang. Steht der Tinker damit zu lange auf feuchtem Boden, hält sich Nässe am Bein und kann dort zum Beispiel Mauke auslösen.

Wissenswertes und Besonderheiten: bunt mit Bart

Im Vergleich zu anderen Pferderassen zeichnen sich die Tinker-Pferde durch die Besonderheit aus, dass es nur wenige präzise definierte Rassestandards gibt, was Größe, Farbschläge und sogar Typen betrifft. Das macht die „Irish Cobs“ zu einer extrem vielfältigen Rasse.

Eine Gemeinsamkeit der Tinker ist die üppige Behaarung, die über Mähne und Schweif hinausgeht. Dazu gehören zum einen die stark ausgeprägten Fesselbehänge, zum anderen ist auch die Schnauze ungewöhnlich flauschig. Ein Tinker-Pferd trägt „Schnurrbart“ und „Ziegenbärtchen“ aus längerem Fell, was besonders im Winter auffällt; im Sommer erscheint dieses Feature meist weniger prägnant. Aber warum haben Tinker einen Bart? Dieses Phänomen scheint genetisch bedingt zu sein und kommt nicht exklusiv bei Tinkern vor. Andere stark behaarte Pferderassen wie zum Beispiel Shire Horses oder Friesen zeigen ebenfalls gelegentlich ums Maul herum ein „unrasiertes“ Erscheinungsbild, wenn auch weniger ausgeprägt.

Ungewöhnlich sind auch die starken Abweichungen beim Stockmaß innerhalb der Rasse. Es gibt:

  • Tinker-Ponys (128 bis 148 Zentimeter)
  • Tinker als Kleinpferde (149 bis 159 Zentimeter)
  • Tinker-Pferde (169 bis 170 Zentimeter)

Die laut Zuchtziel der ICS angestrebte Größenordnung liegt bei 135 bis 160 Zentimetern. Interessant ist in diesem Kontext die Frage, wann Tinker ausgewachsen sind. Da Tinker Spätentwickler sind, gelten sie erst mit sechs Jahren als erwachsen und werden erst spät, ab dem vierten Lebensjahr, angeritten.

Und wie viel kosten Tinker-Pferde? Der Preis liegt etwa zwischen 2.500 und 6.500 Euro. Aber warum sind Tinker so günstig, jedenfalls im Vergleich zu anderen Pferderassen? Das mag daran liegen, dass der Tinker sich, wie oben ausgeführt, nur bedingt als Leistungssport-Pferd eignet und eher von Hobbyisten gehalten wird.

Gesundheit und Anfälligkeiten der Tinker

Historisch gesehen sind Tinker Pferde, die an viel Bewegung gewöhnt sind und deren Stoffwechsel auf karge Nahrung eingestellt ist. In moderner Pferdehaltung auf mitteleuropäischen Weiden und Stallunterbringung kann das problematisch sein. Zu reichhaltiges Futter bei zu wenig Bewegung kann beim Tinker Krankheiten wie Allergien, Mauke, Hufrehe oder Sommerekzem begünstigen. Weitere Komplikationen können Koliken, Magenprobleme und Kotwasser sein.

Bei Boxenhaltung kann der zu lange Aufenthalt in geschlossenem Raum Luftschwäche und Bronchitis begünstigen. Aus Bewegungsmangel resultieren Stoffwechselprobleme.

Bei rassegerechter Haltung, vorzugsweise im Offenstall, mindestens aber mit viel Weidegang und Bewegung und streng eingehaltener „Diät“ für leichtfuttrige Tiere sind Tinker eine robuste Rasse. Das erkennst du auch daran, wie alt Tinker-Pferde werden können: Die Lebenserwartung liegt bei 20 bis 30 Jahren und darüber hinaus.

SteckbriefTinker Pferd

Rasse:
Tinker (eigentlich: Irish Cob)
Typ/Art:
Warmblut, Kleinpferd vom Kaltblut-Typ
Herkunftsland:
Irland
Stockmaß:
136 bis 160 Zentimeter
Gewicht:
460 bis 730 Kilogramm
Farben & Fellzeichnungen:
alle Farben außer Albinos, meist Schecken
Aussehen:
gedrungen, muskulös, gut proportioniert; auffällig üppige Behaarung, Fesselbehang und „Bärtchen“
Charakter:
ausgeglichen, anhänglich, verlässlich, gehorsam, stur
geeignet für:
Kutsch- und (Freizeit-)Reitpferd, Showpferd

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